Name: Howahkan vom Klan des Schwarzen Flusses;
Klasse: Kämpfer;
System: Pathfinder / Pathfinder Epic / Dungeons & Dragons 3E/3.5E Epic
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Geboren wurde Howahkan als dritter Sohn der Familie Nahcomence, zugehörig zum Klan vom Schwarzen Fluss, im beschaulichen Dorf Quantora in den Weiten Telinors an der Küste des Grossen Meeres. Die Gefährten des Klans bestreiten ihren Lebensunterhalt damit, dass sie ankommende Handelsreisende und Karawanen, samt ihren Waren, als Schutz vor Angreifern und anderen Gefahren sicher ins Landesinnere geleiten. Als Gegenleistung bekommen sie dafür Gold oder eine angemessene Menge der mitgeführten Handelsgüter, die sie für den Eigenverbrauch oder zum Weiterhandeln für das gesamte Dorf verwerten. Viele andere Dinge wurden in der heimischen Landwirtschaft und Tierzucht gewonnen. Alltägliches konnte man sich handwerklich selbst herstellen, man war somit autark abseits der grossen Städte. Das Leben der Dorfbewohner war somit gesichert, gewiss nicht üppig, aber dennoch genügsam. Da sich in der Gegend auch andere Klans mit denselben Absichten sesshaft machten, gehen nicht alle lukrativen Geschäfte an den Klan vom Schwarzen Fluss. Der quasi stärkste Konkurrent ist der ganz in der Nähe angesiedelte Klan vom Waldberg, mit deren Gefolgsleuten es auch immer wieder zu kleineren Rangeleien kommt. Nie wirklich was Ernstes außer kleineren Blessuren oder mal einer gebrochenen Rippe. Man lebt nebeneinander mit dem Wissen um den anderen und mit der Gewissheit, immer auf der Hut zu sein zu müssen.
Der Klan des Schwarzen Fluss bestand ursprünglich aus fünf Großfamilien, mit je einem Mitglied im Ältesten Rat des Klans. Einer von ihnen ist Howahkans Vater Matoskah, der als erfahrener Kämpfer und diplomatischer Verhandlungsmeister ein hohes Ansehen im gesamten Dorf genießt. Nach und nach haben sich neue Familien aus den Nachkommen dazugesellt und das Dorf wurde größer. Zudem haben sich in Quantora noch einige Händler und Reisende niedergelassen, die sich in das vorhandene Leben integriert haben. Diese haben zwar kein direktes Mitspracherecht am Geschehen, werden aber von den Einheimischen respektiert und jedem steht es zu jeder Zeit frei wieder zu gehen.
So gut wie immer an Matoskahs Seite, seine Frau Etu, mit der er schon seit etlichen Jahren vermählt ist. Beide sind stolze Eltern von drei prächtigen Söhnen. Der Älteste von ihnen, Taregan, ein Denker wie sein Herr. Kaufmännisch veranlagt, kümmert er sich um die Abwicklung der Geschäfte mit Waren und Dienstleistung aller Art. Er ist zudem ein guter Menschenkenner, kann Fremde nach nur kurzer Zeit recht gut einschätzen, was ihm wiederum bei den Geschäftsverhandlungen zu Gute kommt. Paytah, der Zweitälteste Sohn Matoskahs, ist ein guter Kämpfer und Armbrustschütze, auch handwerklich vielseitig begabt. Seit dem er aber verheiratet und selber Vater ist, geht er nur in Notfällen mit auf Wanderschaft durch die Lande. Er patrouilliert mit anderen hin und wieder ums Dorf, bleibt aber immer in Nähe seiner Familie und kümmert sich um fachwerkliche Arbeiten im Dorf.
Der Jüngste Nachkomme im Hause Nahcomence ist Howahkan. Die ersten fünf Jahre wuchs er behütet in Beisein seiner Familie auf und durchlebte bis dahin eine meist unbeschwerte Kindheit. Schon damals schaute er begeistert und mit großen Augen den Kriegern des Klans bei ihren Übungskämpfen zu. Er versuchte dann mit seinem Lieblingsspielzeug, einem kleinen Zweihand-Holzschwert, handgeschnitzt von seinem Bruder Paytah, die Bewegungen der Krieger nachzueifern, was ihm für sein Alter auch sehr gut, fast schon gekonnt, gelang. Dadurch wurde seinem Vater früh offenbart, welcher Berufung sein jüngster Spross wohl später folgen wird.
Bei der Familie Nahcomence stand in jenem Sommer Nachwuchs an, Howahkan freute sich darauf, denn dann würde er endlich nicht mehr der Kleinste im Hause sein. Der Sprössling spielte mit seinen anderen Brüdern und einigen Gleichaltrigen vergnügt am Dorfplatz. Im Dorf war es sonst recht ruhig, viele Männer waren als Begleitschutz unterwegs, üblich um diese Jahreszeit. Beim spielen am Waffenlager, was ihm seine Mutter ausdrücklich verboten hatte, verletzte sich Howahkan am Unterarm, eine kleine Wunde, die aber blutete. Er wollte die Verletzung reinigen und eilte aus diesem Grund heimwärts. Da er aber nicht von seiner Mutter, sie hörte auf den Namen Etu, dabei erwischt werden wollte, schlich er sich heimlich ins Haus und war auf dem Weg in sein Zimmer, als er mit einem flüchtigen Blick in die Küche hinter seiner Mutter noch eine weitere dunkle Gestalt sah. Seine Neugier lies ihn genauer ums Eck schauen, doch in diesem Moment zückte die Gestalt ein Messer und stach auf mehrmals von hinten auf Hochschwangere ein.
Der Dreikäsehoch schreckte auf, er erkannte in diesem Moment, dass es sich bei der Gestalt um einen hinterhältigen Schurken handelte. Seine Mutter ging blutüberströmt zu Boden und blieb regungslos liegen. Der in einer schwarzen Lederrüstung gekleidete Schurke drehte sich langsam um, schaute dem Fünfjährigen tief in die Augen. Howahkan stand wie versteinert da, den Tränen nah, wusste nicht was er tun sollte. Als sich der Schurke ihm mit gehobener Waffe näherte, wollte Howahkan fliehen, doch der Schwarze Mann war schneller und packte ihn am Hemd. Grade als er zustechen wollte, konnte sich der Bengel mit einer geschickten Drehung befreien und sah dabei Opas Einhandschwert an der Wand hängen. Da ihm die Fluchtmöglichkeit abgeschnitten wurde, riss er das Schwert von der Wand und führte es seiner Größe entsprechend zweihändig.
Der Schurke lachte laut „Tu dir nicht weh, Kleiner. Deine Mutti wird sicher nicht kommen, um dich zu verbinden." Aber der Wicht stand nur kampfbereit wie ein erwachsener Klan-Krieger da und schaute mit eiserner Miene den Eindringling an. Dieser zuckte nur mit den Schultern und griff siegessicher den Stöpsel vor ihm an. Doch dieser parierte den ersten Angriff und konnte mit einem Hieb dem Schurken eine Waffe aus der Hand schlagen. Sichtlich überrascht über diese Aktion, schrie er Howahkan an „Das sollst du mir büßen! Büßen sollt du es! Wie deine schäbige Mutter!". Dann zog er einen weiteren Dolch aus seinen Taschen und griff erneut an. Howahkan gelang es zwar den ersten Angriff auszuweichen, doch dabei drehte er sich zum zweiten sogleich folgenden Angriff hin, der ihn traf. Der Dolch streifte seinen Rücken und durchzog diesen mit einer tieferen Wunde. Völlig im Kampfrausch schrie Howahkan auf, umklammerte fest sein Schwert, holte mit seiner ganzen Kraft aus und zog die Waffe mit einem schnellen Schwung durch. Der Schurke, der eigentlich damit gerechnet hatte, dass der Kleine nach diesem Treffer zu Boden geht, konnte nicht direkt zurückweichen und merkte, wie die Stahlschneide durch seine Lederrüstung tief in seinen Körper glitt.
Das Schwert schlitze die Vorderseite der Rüstung und den Torso des Schurken auf und drang dabei fast fünf Zentimeter tief in dessen Körper ein, überall schoss Blut aus dem Grat. Der Meuchler lies geschockt seine Waffen fallen und ging auf die Knie, dabei hielt er sich schmerzverzerrt seine Hände an die Wunde. Howahkan war der Zorn ins Gesicht geschrieben, er holte erneut aus und setzte das Schwert mit einem solch starken Hieb in den Hals des Schurken, dass die Klinge auf der Rückseite wieder raus kam. Danach zog der Wicht die Waffe mit einem Ruck wieder raus, woraufhin der Schurke röchelnd zu Boden ging und kurz drauf keinen Mucks mehr tat.
Erst als der Eindringling tot vor ihm lag, realisierte Howahkan, was geschah und was er da grade getan hat. Er sah den Schurken an, der keine 20 Jahre alt war, in seinem eigenen Blut regungslos liegen. Er lies das Schwert fallen und rannte in die Küche, wo er seine Mutter in einer großen Blutlache liegen sah. Er sackte vor ihr auf die Knie und schüttelte sie ein wenig. Als sie nicht reagierte, beugte er sich über sie und begann bitterlich zu weinen.
Von dem Krach und dem Weinen alarmiert, kamen kurz darauf einige Leute in das Haus gestürmt, unter ihnen auch Howahkans Vater. Erschrocken von dem Anblick seiner geliebten Frau und dem aufgeschlitzten Schurken im Wohnzimmer, war er wohl dennoch der einzige, der begriff, was hier passiert war. Er nahm seinen Sohn in die Arme und ging mit ihm vor die Tür. Er setzte ihn auf den Boden und kniete sich runter. Er sah seinen Sohn mit glasigen Augen an, dieser entgegnete ihm „Mama wird nicht wiederkommen, oder?“. Matoskah schüttelte leicht den Kopf und flüsterte „Nein, mein Sohn,...!", dann nahm er seinen Sohn fest in die Arme und beide blieben einige Minuten weinend am Boden harrend.
Nach diesem Vorfall änderte sich Howahkans Leben schlagartig. Er wurde von seinem Vater im Umgang mit Schwertern gelehrt. Dafür lies dieser sogar beim Stammesschmied ein passendes Schwert schmieden. Doch Howahkan liebte es mit großen Klingen zu kämpfen und so beugte sich sein Vater dem Wunsch des kleinen Kriegers und zeigte ihm den Umgang mit Zweihandwaffen. Howahkans Talent für den Kampf war ersichtlich, aber in den jungen Jahren noch nicht ausgereift. Doch sein Ehrgeiz und der unermüdliche Drang, eines Tages den Tod seiner Mutter zu rächen, an wem auch immer, spornte ihn zu immer neuen Höchstleistungen an. Er hat seitdem nie wieder über den Vorfall oder den Tod seiner Mutter mit jemand darüber geredet.
Mit grade mal 14 Jahren durfte er dem Kriegerbund des Stammes beitreten und wurde dort trotz seines jungen Alters respektiert. Er wurde mit auf Wachpatrouille eingeteilt, und zum 15. Geburtstag durfte er zum ersten Mal eine Karawane mit ins Landesinnere begleiten. Sein Vater war im Stillen stolz auf seinen „kleinen Sohn“, der es wie er damals geschafft hatte, sich seinen Platz und den nötigen Respekt in der Klanhierarchie zu erkämpfen.
Die Zeit verging, Howahkan war Anfang 20, als ihm die Vergangenheit und die Ereignisse von damals einholten. Da ihm die Dinge keine Ruhe ließen, ging er eines Abends zu seinem Vater ins Wohnzimmer des Elternhauses und ihn fragte, ob er wisse, wer damals den Schurken ins das Dorf geschickt habe oder wer dieser war. Überrascht von dieser Frage zu diesem Zeitpunkt, bot er seinem Sohn einen Platz neben sich auf einem Hocker an. Howahkan setzte sich neben seinen Vater und lauschte seinen Worten. „Ich wusste, dass der Tag kommen wird, dass du mich danach fragst.“ Er zögerte einen Augenblick. „Ja, Howahkan, ich weiß wer diesen elendigen Schurken zu uns schickte. Ich weiß sogar, wer dieser Gauner war und warum er es ausgerechnet auf deine Mutter abgesehen hatte.“ Howahkans Augen wurden größer vor Erstaunen was sein Vater ihm da grade berichtete, doch er folgte weiter und sagte kein Wort. „Der Halunke hieß Geraldt, ein hinterlistiger Händler des Waldberg Klans.“ Er drehte sich zu seinem Sohn hin und schaute ihm in die Augen. „Geraldt war der Sohn des damaligen Häuptlings Deramitsch vom Klan des Waldberg. Dieser hatte schon immer ein Auge auf deine Mutter geworfen und wollte diese für sich gewinnen. Doch sie entschied sich für mich und wir vermählten uns. Zu dieser Zeit fingen dann die Streitigkeiten mit dem Klan des Waldberg an. Deramitschs Eifersucht verdanken wir es, dass sich die beiden Klans seit Jahren bekriegen.“
Howahkan konnte nach diesen Sätzen seine Fassung nicht wahren und schrie seinen Vater ins Gesicht „Du hast es all die Jahre gewusst? Gewusst, dass ein Waldberg-Halunke unsere Familie zerstört hat und hast nichts dagegen unternommen? Unterdessen hast du geschwiegen und daraufhin einen Klankrieg heraufbeschworen, bei dem wir uns eines Tages bis aufs Blut niedermetzeln werden!? Ich dachte ich wäre der Sohn einer ehrwürdigen Familie, nicht der Abkömmling eines ignoranten Feiglings!“ Als Howahkan wutentbrannt diese Worte aussprach, schlug ihm sein Vater mit seiner rechten Hand so stark ins Gesicht, dass es ihn mit voller Wucht vom Hocker auf den Boden warf. Seine Wange war tief rot, aus seinem Mund blutete es, er hielt sich den Kiefer schmerzverzerrt mit seiner rechten Hand und blickte vom Boden herauf zu seinen Vater, der in diesem Augenblick aufstand und düster herabsah. „So redest du nicht über dein eigen Blut, mein Sohn! Glaubst du wirklich, dass mir das Schweigen bisher leicht fiel? Ich habe damals nicht nur mein geliebtes Weib verloren! Denkst du, dass es all die Jahre leicht war, euch ohne eure Mutter aufwachsen zu sehen? Und was hätte ich deiner Meinung tun sollen? Mich hinstellen und als Ursprung allen Übels dazustehen und damit unsere Familienehre zu verwirken? Zudem waren die Zeiten damals sehr schlecht. Die Ernten wenig ertragreich und die Winter hart und lang! Eine Unruhe und der Vertrauensbruch zwischen unseren Leuten hätte unserem Klan wohlmöglich seine Existenz gekostet! Ich war gezwungen zu schweigen!“ Howahkan spuckte sein Blut aus dem Mund und brummte mit finsterer Miene „Zumindest hättest du damit unserer Familie und dem Klan die Ehre erwiesen, die ihr uns als Kämpfer und Verteidiger dieses Stückchen Landes immer wieder predigt und als oberstes Gebot erachtet. Wir hätten vor Jahren den Krieg beenden können, wenn du nur den Mut gehabt hättest, die Wahrheit zu sagen! Deine selbstlose Ignoranz in dieser Sache lässt nun unsere Familie als Verräter und den letzten Dreck dastehen! Ich komme mir verächtlich vor, wenn ich nur daran denke, ein solcher Nahcomence zu sein!“ Matoskahs Blicke wandten sich von seinem Sohn in Richtung Tür ab, zu er sich sodann hinbewegte. „Ich habe immer und jeder Zeit versucht die Ehre der Familie Nahcomence und die des Klans aufrecht zu halten, egal was kam. Zudem hat uns der stetige Auseinandersetzung mit dem Waldberg-Klan über die letzten Jahre gestärkt. Unsere Kampftechniken sind besser denn je und helfen uns sehr stark bei den Patrouillen auf den Handelsrouten.“ Er atmete kurz tief durch und schnaufte schwer. „Ich dachte zumindest du würdest mich verstehen. Aber wenn du dein eigen Blut als Abschaum empfindest, dann sollst du ab sofort nicht mehr Teil unserer Sippe sein. Bis zum Morgengrauen will ich dich hier nicht mehr sehen! Pack deine Sache und verschwinde! Für immer!“ Noch bevor Howahkan etwas sagen konnte, verließ sein Vater das Haus und ließ seinen Sohn am Boden zurück.
Völlig überrollt und baff von der Ansage seines Vaters, dauerte es etwas, bis sich Howahkan aufraffen konnte. Als er daraufhin nach draußen ging, konnte er niemanden im Dorf sehen, es war alles ruhig. Er kehrte zurück ins Haus und ging auf sein Zimmer. Er schaute sich um, sah all das, was er von Kindesalter her kannte. Hatte er seinem Vater wirklich Unrecht getan? Aber war es nicht auch sein Vater, der ihm lehrte ehrenhaft zu dem zu stehen was man ist und was man tut? Mit diesen Gedanken, packte er seinen Rucksack, nahm sein Schwert und verlies das Dorf im Schutze der Dunkelheit gen Osten. Und obwohl ihn ein unsicheres Gefühl bei den ersten Schritten begleitete, schaute er nicht zurück. Er stapfte ziellos in die schwarze Wand vor ihm, die ihn förmlich verschlang. Als ihn nach stundenlangem Fußmarsch in der Dunkelheit die Müdigkeit übermannte, entschloss er es sich unter einem Baum gemütlich zu machen. Doch seine Leichtsinnigkeit, kein passendes Schlafquartier ausfindig zu machen, würde er schon bald büßen müssen.
Als Howahkan am nächsten Morgen zu sich kam, wurde er unsanft geweckt. Vier Späher, Gefolgsleute des Waldberg-Klans, standen um ihn herum, drei Schwerter auf ihn gerichtet. Seine Waffe hatten sie ihm schon abgenommen. Seine anderen Sachen waren nur ein paar Meter von ihm entfernt in einem kleinen Gebüsch versteckt, aber dennoch unerreichbar für ihn. Die vier forderten ihn auf mitzukommen. Da er keine andere Chance sah, folgte er ohne Widerstand. Sie fesselten Howahkans Arme mit einem schweren Seil am Rücken zusammen und zerrten ihn mit in ihr Dorf, welches sie am Abend erreichten. Stolz präsentierten die vier Späher ihren Fund, den die Bewohner und Anführer des Klans lautstark mit Verachtung und Spott feierten. Sie nahmen dem Krieger seine Rüstung ab und fesselten ihn in der Mitte des Dorfplatzes an zwei zu einem großen X gekreuzten Opfer-Pfähle, an denen er fest verschnürt hang, bewegungsunfähig, zum Gespött der Leute.
Die Nacht brach herein, es wurde kalt, zu allem Überfluss begann es noch zu regnen. An Schlaf war kaum zu denken, zu sehr begannen die Seile an den Handgelenken zu schmerzen, die sich langsam in die Haut wetzen. Als er grade vor sich hin döste, merkte er, wie ein Stock mehrmals in seinen Magen drückte und eine Stimme zu ihm redete. Howahkan hob seinen Kopf etwas, öffnete die Augen und sah vor ihm einen älteren Mann im Regen stehen. Er musterte diesen. Er hatte eine Kapuze tief ins Gesicht gezogen, aus der einige seiner langen, zerzausten Haare im Regen hingen. Er trug nur noch Lumpen als Kleidung an seinem Körper, keine Schuhe, er schien dreckig zu sein und wochenlang nicht rasiert. Als der Mann merkte, dass Howahkan wach war, hörte er auf ihn zu piesacken und ergriff das Wort. „Du Narr. Da hängst du nun. Hast dich gefangen nehmen lassen. Unvorsichtiger Versager. Sohn einer untreuen Hure!“ Plötzlich war Howahkan hell wach und versuchte mit letzten Kräften überzeugend zu kontern „So redet niemand über meine Mutter!“ Sein blick wurde finster und er starrte den alten Mann verächtlich an „Wer seid ihr, dass ihr so über mein Blut redet?“ „Wer ich bin?“ antwortete der Greis, „Was glaubst du wohl wer ich bin?“ Der alte Mann trat einen Schritt an die Opferpfähle und zog sich seine Kapuze vom Kopf. Dann schaute er hoch zu Howahkan, dem es vor Schreck sein Atmen verschlug. „Dein schlimmster Albtraum, Howahkan vom Schwarzen Fluss, Sohn einer Hure!“
Howahkan traute seinen Augen kaum, aber es war der ehemalige Anführer des Waldberg-Klans, es war Deramitsch. Sein Gesicht war gezeichnet von Wunden und Pickeln, er sah aus wie ein Aussätziger mit der Pest am Leibe. „Sieh, was du und dein Gesindel aus mir gemacht habt! Sieh mich an!“ Deramitsch nahm wieder seinen Stock und drückte ihn auf Howahkans Kehle, dieser stammelte nach Luft röchelnd „Wieso ich… und meine Familie… was haben wir damit zu tun?....“. Der alte Man lies den Stock wieder ab. „Was du damit zu tun hast? Oder deine Familie? Es hat den Anschein, als wüstest du nicht alles über dein ehrenwertes eigenes Blut. Dann will ich dir mal die Augen öffnen, Hurensohn.“
Deramitsch ging einen Schritt zurück und begann zu erzählen. „An jenem Abend, an dem du den Schurken in eurem Anwesen niedergesteckt hast, hast du nicht nur mein Blut vergossen, sondern auch einen Teil deiner Blutlinie ermordet. Der Eindringling war mein Sohn Geraldt, gezeugt und ausgetragen von eurem Blute, von deiner Mutter!“ Howahkan knirschte wutentbrannt „Niemals! Ihr lügt!“ „Ich lüge nicht“, kam prompt, „es ist die Wahrheit. Das Kind, das deine Mutter angeblich bei der Geburt verloren hatte, war mein Sohn! Ich habe ihn mit ihr in einer klaren Sternennacht gezeugt. Und sie brachte ihn mir am Tage nach der Geburt zu mir und ich zog ihn auf, wie mein eigenen Fleisch und Blut.“ Howahkan erinnerte sich in diesem Moment wieder an die Geschichte, die ihm sein Vater vor Jahren erzählt hatte, er aber verdrängte. Die Geschichte des Erstgeborenen seiner Eltern, der angeblich bei dessen Geburt schwer behindert gewesen war, ein Krüppel, und man ihn aus diesem Grunde in die Grube warf. Scheinbar waren die Dinge nicht so, wie er und vor allem sein Vater damals glaubten. Oder vielleicht auch nicht. Vielleicht wusste sein Vater auch davon und schwieg.
„Ihr lügt!“ führte Howahkan fort, „Ihr habt keinen Beweis für diese Tat!“. Deramitsch drehte sich etwas weg „Ihr wollt einen Beweis? Hier ist euer Beweis!“ Der alte Mann zog einen Beutel hervor aus dem er einen Ring nahm. „Dieser Ring war am Finger meines Sohnes in jener Nacht, als ihn mir deine Mutter brachte!“ Deramitsch packten den Ring an die Spitze seines Stockes und hielt diesen dann so Howahkan direkt unter die Augen „Sieh ihn dir genau an! Und jetzt sage mir, dass ich ein Lügner bin!“ Howahkan sah den Ring und traute seinen Augen nicht. Es war ein Siegelring seiner Familie. Jeder Neugeborene bekommt einen solchen Ring, den er sein Leben lang trägt, als Verbundenheit seines Blutes und der Ehre seiner Herkunft. Auch er trägt seit dem er denken kann einen solchen Ring. Es war also tatsächlich die Wahrheit. Seine Mutter war eine Hure. Howahkan starrte mit leeren Blicken auf diesen Ring. Eine Träne floss die linke Wange runter. Tausend Gedanken schossen ihm durch seinen Kopf. Sein Blick ward finster und wütend.
„Dein Blick verrät mir, dass du mir nun glaubst. Narr.“ Howahkan lies seine Gedanken fallen und kehrte in die Realität zurück, er wendete sich an Deramitsch „Und warum bin ich nun Schuld an dem, was ihr seid?“ Der alte Mann zögerte kurz, antwortete aber dann „Wenn ihr nicht wärt, hätte ich mit deiner Mutter ein glückliches Leben führen können. Aber dein Vater hat dies verhindert. Ich war töricht genug zu glauben, das Geraldt meine Gefühle und meine Vergangenheit tolerieren würde. Als er 17 Jahre alt und zum Wachdienst einberufen wurde, habe ich ihn am Abend zu mir gerufen. Ich wollte ihm die Geschehnisse erzählen, seine wahre Herkunft, mein jahrelanges Schweigen ein Ende setzten. Ich dachte wirklich, er würde seinem Herren dieses Vertrauen zugestehen und mit Verständnis entgegenkommen“. Deramitsch hielt kurz inne. „Aber er kochte vor Wut und wollte die Schande von sich weisen.“
Howahkan erkannt in diesem Moment die Parallelen zu sich und seinem Vater. So verschieden schienen die Söhne und ihren Vätern nicht zu sein. Beide Väter glaubten, sich nach all den Jahren des Geheimhaltens ihren Söhnen anvertrauen zu können. Verständnis für das Schweigen von ihnen entgegen zu bekommen. Doch beide Söhne reagierten mit Wut und Unverständnis. Deramitsch fuhr fort „Geraldt sah nur einen Ausweg, der Schande zu entkommen, er musste seine Leibliche Mutter töten. Er sagte, nur so könne er je wieder ruhig schlafen. Ich versuchte ihm das auszureden, Herrgott, ich liebte diese Frau und tat es zu diesem Zeitpunkt ebenso! Aber er zog in euer Dorf und tat, was er tun musste.“ Er hielt wieder kurz inne. „Und kam nicht zurück. Aufgrund dessen, dass mein Sohn im Lager des Schwarzen Flusses umkam, musste ich mich und meine Familie erklären. Unter Magieeinwirkung erzählte ich unserem Dorfrat die Wahrheit über die Herkunft meines Sohnes. Die Ältesten im Rat waren empört über diese Umstände und so besiegelte Geraldts Torheit schlussendlich auch mein Leben. Man entzog mir meine Stellung im Rat und verbannte mich ins Aussätzigenlager vor dem Dorf. Mein Hab und Gut ging an unser Oberhaupt, mein Weib ebenso. Und es entbrannte jener Krieg, die unsere Klans bis heute in Feindschaft leben lässt. Erst Jahre später erfuhr ich durch einen reisenden Barden, was bei euch im Dorf vorgefallen war. Ich erfuhr dass mein Sohn von einem fünfjährigen in die Abgründe des Todes geschickt wurde…“ Deramitsch schaute bei diesem Satz Howahkan in die Augen. „Und zu diesem Zeitpunkt schwor ich Rache. Rache an dem Tod meines Blutes! Endlich ist dieser Tag gekommen. Und glaube mir, ich werde meine Rache in jedem Zug genießen.“ Howahkan wurde zunehmend unruhig, er versuchte sich von den Fesseln zu befreien, irgendwie zu lockern. Doch trotz des Regens gaben die Sticke nicht nach, bohrten sich stattdessen tiefer ins Fleisch und wetzten bereits am Knochen. Deramitsch hatte mittlerweile ein finsteres Grinsen in seiner Visage, und flüsterte weiter „Aber hier vor all den Leuten werden ich das natürlich nicht tun. Es soll meine ganz persönliche Vorstellung werden.“ Als er diese Worte sagte, fing er leise mit einem Singsang an und ein heftiger Wind kam auf und wirbelte um die Beiden herum. Es wurde blitzartig neblig und die Umgebung verschwand in die dichten grauen Schwaden.
Als sich die Sicht wieder lichtete, stand Howahkan frei an einem Waldrand, immer noch bekleidet mit einem Leinenhemd und einer Lederhose. Gelöst von den Fesseln, rieb er sich die schmerzhaften, wunden Stellen an den Handgelenken. Dabei schaute sich um, und erkannte, dass er an dem Waldstück war, an dem er die Nacht zuvor genächtigt hatte. Einige Meter vor ihm stand Deramitsch, mit einer kleineren Einhandaxt in der rechten Hand. Howahkan fragte irritiert „Und was soll das jetzt?“ Deramitsch warf die Axt einige Meter vor Howahkan auf den Boden und sprach „Das ist deine Waffe, so ganz ohne wäre wohl ungerecht und wir hätten beide keinen Spaß an der Sache. Wir werden es hier austragen. Nur wir beide. Bis ich mein Blut mit deinem gerächt habe.“ Als Deramitsch diese Worte beendete, fing er an sich zu verändern, seine Haut wurde knorrig, wie eine Rinde. Sein Körper schien nach und nach sich in eine Art Stamm zu verwandeln. Seine Haare fingen an grün zu werden und zu tentakelartigen Sprösslingen zu mutieren.
Howahkan wollte die Gunst der Stunde nutzen und zu der Waffe am Boden hechten, doch die Tentakel ergriffen zuvor seinen Oberkörper, hoben ihn hoch und schleuderten ihn unsanft zu Boden. Howahkan stockte beim Aufprall der Atem, und sah wie die Tentakel sich wieder blitzartig näherten. Er versuchte zur Seite zurollen, doch auch dieses Mal ergriffen ihn die lebenden Äste des Waldelementars und hoben ihn erneut hoch. Deramitsch zog den zappelnden Krieger zu sich heran, mit seiner verzerrten, hohlen Stimme knarrte er „Leben in Freiheit ist wie die Luft um sich zu spüren. Aber ohne Luft, kein Leben!“ Mit diesen Worten zog Deramitsch die Tentakel um Howahkans Brustkorb fester zusammen, bis man deutlich die Knochen knackten hörte. Howahkan schrie auf, verstummte aber gleich wieder, da er kaum noch atmen konnte. Kurz bevor es so schien, dass er die Besinnung verlor, lies ihn Deramitsch vor sich auf den Boden fallen. Der Krieger, am Bauch liegend, schnappte schwer atmend nach Luft und wälzte sich vor Schmerz am Boden.
„Keine Lust mit mir zu Spielen, Narr?“ begann Deramitsch zu knarren. „Dabei haben wir doch erst angefangen! Du musst dir nicht mal Gedanken über dein einsames Ableben machen und das du in der Hölle alleine schmoren wirst. Morgen, wenn es dunkel wird, werden unsere Leute in euer Dorf gehen und dort alles an Leben auslöschen. Selbst euren Ratten werden sie den Hals umdrehen und alles niederbrennen, bis von euch und eurem Klan nichts mehr über ist. Du kannst dich glücklich schätzen, dass man dir als einzelne Person zu deinem Ende nochmals so viel Aufmerksamkeit zukommen lässt.“ Bei diesen Worten setzte Deramitsch ein Tentakelbündel zusammen und schmetterte dies auf Howahkans Rücken. Knochen barsten und Howahkan stöhnte lautstark auf. Er keuchte und hustete. Er fing an Blut zu spucken. Er wälzte sich vor Schmerz auf den Rücken und sah durch seine schmerzverzerrten Augen den Sternenhimmel über sich.
Seine Gedanken gingen weg vom irdischen. Er musste an seinen Vater und seine Brüder denken. Seine Mutter. An den Tag, als er sie sterben sah. Er erinnerte sich an die Worte seines Vaters, den Streit mit ihm. Aber erst jetzt, in diesem Augenblick, erkannte Howahkan, dass er selbst Unrecht hatte. Sein Vater tat gut dran zu schweigen. Und das, obwohl es ihn die ganze Jahre innerlich zerfressen hatte. Das sich sein Vater ihm an diesem Abend anvertraut hatte, war wohl einer der größten Vertrauensbeweise, der ein Vater in solch einer Situation seinem Sohn geben konnte. Doch anstatt es als solchen anzunehmen und zu würdigen, was sein Vater zum Wohl der Familie all die Jahre für schwere Bürden tragen musste, entgegnet er ihm mit Unverstand und Missmut. Howahkan kam sich in diesem Augenblick so unreif vor. Er hat gesehen, was die Wahrheit aus Deramitsch gemacht hatte. Einen Verstoßenen, dem man sogar seine Würde zum Leben nahm. Wenn sein Vater die Wahrheit nicht geheim gehalten hätte, wäre ihm und seiner Familie wohl Ähnliches widerfahren.
Howahkan wurde von Bodenerschütterungen aus seinen Gedanken gerissen. Der Waldelementar näherte sich ihm. Seine Gedanken wurden auf einem Schlag klar. Er musste Deramitsch besiegen. Nicht nur Seines wegen. Er muss seinen Klan warnen, dass großes Unheil bevorsteht. Als er aus dem Augenwinkel sah, dass Deramitsch mit seinen brachialen Tentakeln wieder zu einem Schlag ausholte, wartete er kurz und rollte sich dann blitzschnell zur Seite. Der Schlag ging ins Leere und Howahkan sah nicht weit vor sich die Axt am Boden liegen. Er hechtete vom Boden mit einem Satz zur Waffe, nahm sie auf, rollte sich ab und stand auf. Dabei merkte er deutlich seine Knochenbrüche in den Rippen und ging vor Schmerz in die Knie, schaute aber ununterbrochen wachsam auf Deramitsch und was er tat.
„Doch noch Lust zu spielen, Narr?“ knarrte der Elementar. „Unkraut jäten und Brennholz machen!“ erwiderte der Krieger mit einem gequälten, finsteren Lächeln. Howahkan wartet ab, was der Deramitsch vorhatte. Als er sah, dass er wieder angreifen wollte, machte er sich bereit. Als die Tentakel in Reichweite waren, hechtete Howahkan mit einem gekonnten Sprung aus dem Stand hoch und landete hinter dem Elementar. Aufgrund seiner Verletzungen misslang ihm aber eine passable Landung und so ging er kurzzeitig zu Boden. Obwohl der Krieger gleich wieder auf den Beinen stand, hatte Deramitsch einen entscheidenden Augenblick zu begreifen was passiert ist. Der Elementar sah, wie schräg hinter ihm der Krieger mit der Axt auf ihn versuchte einzuschlagen und zögerte keine Sekunde. Deramitsch konnte seine Tentakel in der Eile nicht völlig neu für einen Angriff nach hinten ausrichten.
Doch kurz bevor Howahkan den Schlag ausführen konnte, und die Klinge schon in Richtung Deramitsch schwang, konnte dieser einen seiner Tentakel mit hoher Geschwindigkeit in Richtung des Kriegers ausrichten. Der Tentakel durchbohrte Howahkans Magengegend und schoss blutgetränkt auf dessen Rückseite wieder aus dem Körper raus. Obwohl der Krieger vor Schmerz seine Augen verdrehte und aufschrie, landete seine Axt mit voller Wucht und zielsicher auf Deramitsch Körperüberreste am Stamm. Die Axt spaltete den Kopf und sowie das gesamte obere Drittel des Elementarstammes in zwei Hälften. Deramitsch winselte auf und knarrte „Nein, das kann nicht….“ und verstummte. Der Elementar ging nach nur einem gezielten, kritischen Treffer zu Boden und blieb regungslos liegen.
Als der Adrenalinkick kurz darauf bei Howahkan seine Wirkung verlor und er auf seinen Körper nach unten sah, ließ er die Waffe fallen, fasste sich schmerzverzerrt an die Wunde und ging ebenfalls zu Boden. Eine Blutfontäne schoss sowohl vorne als auch hinten aus seinem Oberkörper. Howahkan merkte, dass er durch den schnellen Blutverlust stetig schwächer wurde und das es langsam schwarz um ihn herum wurde. Er zitterte am ganzen Körper, ein schwerer Schock kündigte sich an. Im fiel ein, dass seine Ausrüstung hier irgendwo stehen müsste. Unweit von ihm sah er den kleinen Busch, in dem sein Rucksackversteckt lag. Er versucht dort hin zu gelangen. Das Atmen fiel ihm immer schwerer. Seine Lungen füllten sich stetig mit Blut. Er röchelte nur noch als er schließlich auf allen Vieren seinen Rucksack erreichte. Er kramte mit letzter Kraft einen Trank hervor, den er sich zwangsweise einflößen musste. Das Schlucken war eine Qual, doch als die ersten Tropfen seine Wirkung zeigten, ging es etwas besser. Der Heiltrank zeigt schnell seine Wirkung. Die Blutung hörten auf, die Wunde verschlossen sich teilweise, wenn auch nur wenig. Der Schmerz allerdings war weiter präsent.
Howahkan schaute schnaufend auf die Überreste des Elementars. Im Mondschein sah er ein Funkeln am Boden. Der Krieger ging hin, kniete sich runter und fand im Grün den alten Siegelring seines Klans, den ihm Deramitsch als Beweis der Herkunft Geraldts zeigte. Dieser war tatsächlich echt. Howahkan steckte den Ring ein, raffte sich wieder auf, nahm die Axt in die Hand und ging zu Deramitsch hin. Wutentbrannt hackte er einige Male auf das Holz, dabei platzen aber seine Wunden wieder auf und der Schmerzen zwangen ihn erneut in die Knie. Howahkan keuchte. Die Wunden begannen erneut zu bluten. Er musste eine Auszeit nehmen. Er ging dann zu seinem Rucksack zurück, nahm einen Feuerstein sowie etwas Öl und begann auf Deramitsch ein Feuer zu machen. Erst als vom Elementar nur noch Glut und Asche über waren, lies sich Howahkan völlig erschöpft auf den Boden sinken, lehnte sich an einen Baum und schlief gleich drauf völlig erschöpft ein.
Als die ersten Sonnenstrahlen durch die dichten Baumkronen auf Howahkans Gesicht trafen, wurde er wach. Ihm tat jeder Knochen weh, seine Wunden am Oberkörper brannten wie das Fegefeuer in der Hölle. Langsam stand er auf und sah im Sonnenlicht die äschernden Überreste Deramitschs auf dem sonst grün bemoosten Boden. Schlagartig kamen ihm die Ereignisse der letzten Nacht wieder vor Augen. Plötzlich klangen auch wieder Deramitschs Worte in seinen Ohren. Er sprach von einem Überfall auf das Dorf in der kommenden Nacht. Seinen Klan. Seine Familie. Er musste sie warnen. Diesen Sieg konnte er den Waldberg Klan nicht zugestehen lassen. Nicht nach dem, was er nun alles weiß. Entschlossen nahm Howahkan seinen Rucksack auf und begann den Marsch zurück gen Heimat.
Er wusste, dass er einen weiten Weg vor sich hatte. Normalerweise würde er es in gut einem halben Tag schaffen. Howahkan marschierte mit strammen Schritten los. Doch nach nur einigen hundert Metern musste er stehen bleiben, zu groß waren die Schmerzen der gebrochenen Knochen und frischen Wunden. Er schnaufte und sah in die Ferne. Er muss zu seinem Dorf. Howahkan richtete sich wieder auf und ging weiter. Er nahm etwas Tempo aus seinem Gang und versuchte so, seine Kräfte besser einteilen zu können. Anfangs gelang ihm das recht gut, aber die Sonne begann mit fortschreitendem Tag immer heißer zu brennen. Da ein Großteil des direkten Weges über freies Land führte, fand Howahkan kaum Schutz vor den stechenden Strahlen. Als die Sonne im Zenit stand, fand er erschöpft unter einer Felsformation Schutz im Schatten. Er nahm die Axt und seinen Rucksack ab und setzte sich in den Schatten. Seine Vorräte an Wasser waren aufgebraucht. Seine Mund trocken. Seine Wunden schmerzten und fingen immer wieder an zu bluten. Howahkan lehnte sich geschwächt an die kühlen Steine und konnte zumindest so kurzzeitig ein wenig Erfrischung erfahren.
Er schloss die Augen. Wieder schossen ihm tausend Gedanken durch den Kopf. Er wusste, dass er nicht aufgeben darf. Er erinnerte sich an seine Kindheit. Er muss drei oder vier gewesen sein, als ihn seine Mutter das erste Mal unerlaubt in der Waffenkammer des Klans erwischt hatte. Sie war außer sich vor Sorge, als sie den kleinen Howahkan dort mit einem scharfen Schwert hat spielen sehen. Neben einer gehörigen Backpfeife gefolgt von einer Standpauke, musste er die folgenden Tage den wachhabenden Kriegern helfen deren Waffen zu putzen und zu ölen. So sollte er sich der ausgehenden Gefahr einer Waffe im Klaren werden und lernen, dass so etwas kein Spielzeug sei. Was seine Mutter allerdings nie heraus fand war die Tatsache, dass diese angedachte Bestrafung für ihn ein großer Spaß war. Er lernte nicht nur viel über die verschiedenen Waffengattungen, er durfte bei den Kriegern sogar mal die eine oder andere Waffe in die Hand nehmen und damit üben. Ihm war damals nicht klar, dass seine Mutter ihn nur schützen und ihm seine Kindheit so lange wie möglich wahren wollte. Sie wusste, dass er noch früh genug mit einer Waffe um sein Leben und das anderer kämpfen wird. Sie hat damals nie aufgegeben ihn zu erziehen, obwohl sie es mit dem kleinen Stöpsel sicherlich nicht einfach hatte.
Howahkan öffnete langsam seine Augen. Ein Grinsen hatte sich durch die Gedankengänge auf in seinem Gesicht breit gemacht. Sein Blick wandte sich auf die Weiten des kargen Landstriches. Er sah deutliches Hitzeflimmern in der Nähe des Gesteinbodens, den er nun hinter sich bringen musste. Da er wusste, dass ihm nicht mehr viel Zeit bliebe, nahm er seine Axt, lies den Rucksack liegen, stand auf und trat aus dem kühlenden Schatten heraus. Sofort brannten die Sonnenstrahlen wieder auf seiner Haut. Howahkan schleppte sich Schritt für Schritt über den steinernen Weg. Die Hitze strahlte unermüdlich von den Felsen am Boden ab. Je länger er in der Glut der Sonne umherzog, desto schwummeriger wurde ihm dabei. Sein Kopf schien zu glühen, so heiß schien es ihm zu sein. Er hatte immer größere Mühe sich auf den Beinen zu halten und seine Füße dahin zu koordinieren, wo er tatsächlich hin wollte.
Plötzlich kam Howahkan auf dem unebenen Untergrund ins straucheln, versuchte sich noch abzufangen, fiel aber dann doch nach vorne über und knallte, erst mit dem Körper dann mit seinem Kopf, hart auf den Steinboden. Er japste benommen nach Luft ringend auf und krümmte sich vor Schmerz. Er hielt sich den Bauch fest mit beiden Händen, zwischen denen erneut ein Blutrinnsal auf den Boden tropfte. Der Krieger merkte zudem, dass er sich durch den Sturz eine Platzwunde an der Schläfe eingefangen haben musste. Er spürte, wie warme Flüssigkeit langsam über seine linke Wange ans Kinn lief. Und auf den Steinboden zu tropfen begann. Aus den Augenwinkeln sah Howahkan einen größeren Schatten hinter den Steinformationen heraustreten. Er versuchte sich mit letzter Kraft zu drehen, um einen Blick nach vorne zu erhaschen. Mit benommener Sicht sah er verschwommen eine große, weiße Kreatur mit riesigen Reißzähnen auf sich zu kommen. Der Krieger versuchte an seine Axt zu kommen, doch er konnte sich vor Schmerz kaum bewegen. Jeder Zentimeter brannte in den Muskeln und Knochen so sehr, dass es schier ausweglos erschien, die Waffe rechtzeitig zu fassen zu bekommen. Als die Kreatur direkt vor ihm stand und er den warmen Atem nach leicht gammligen, rohen Fleisch spüren und riechen konnte, blickte Howahkan ein letztes Mal auf. Er sah dabei in zwei Eisblaue Augen und ein riesiges Maul auf sich zukommen. Diese letzte Beanspruchung war dann doch zu viel für ihn. Seine Augen verdrehten sich, er knallte erneut mit seinem Kopf hart auf die Steine und dann wurde es endgültig Nacht.
Stille.
Ruhe.
Frieden.
In der Dunkelheit formten sich nach und nach verschwommene Bilder, die dann schärfer wurden. Howahkan blickt aus der dritten Person auf eine Szene seiner Kindheit wieder. Er erkannte diese sofort. Es war ein sonniger Tag. Er angelte am Schwarzen Fluss nach seltenen rot-schimmernden Fischen. Plötzlich hörte er hinter sich einen dumpfen Schlag, Sekunden später sah er, wie ein kleines Fellknäul in die Fluten des Flusses fiel und panisch immer wieder unterging. Er erkannte Sekunden später, dass es sich um ein Tigerjunges handelte, das sichtlich verletzt war. Ohne über die Gefahren, die vom Fluss ausgingen, nachzudenken, ließ Howahkan seine Angel fallen und stürzte er sich selbstlos in die Fluten und schwamm in Richtung des Jungtieres. Er bekam es zu fassen und konnte sich mit ihm durch die Wassermassen kurz darauf sicher ans Ufer kämpfen. Etwas entkräftet schaute sich der junge Krieger das Tier an, welches ihn mit seinen kristallblauen Kulleraugen ansah. Es war ein Weißtiger-Junges, eine sehr seltene Art in dieser Gegend. Als er sich das Knäul anschaute, bemerkte er eine Bisswunde am hinteren rechten Bein. Er zog sein nasses Leinenhemd aus, wrang es aus und band es um die Wunde. Der kleine Tiger schien zu wissen, dass ihm der Mensch nichts Böses wollte und leckte ihm dabei am Ohr. Howahkan musste lachen, es kitzelte fürchterlich, und er musste sich konzentrieren, um den Verband richtig zu platzieren. Als der Kämpfer das Jungtier zu Boden ließ, humpelte es ein paar Schritte und fiel dann auf den Popo. So würde es das Tier niemals heim schaffen. Die traurigen Kulleraugen, die Howahkan dabei anstarrten, bekräftigten seine Vermutung.
Er nahm das Junge wieder auf den Arm und folgte dem Fluss aufwärts, bis zur Stelle, wo das Tier in den Fluss fiel. Er suchte erfolgreich die Fährte des Tigers und folgte dieser, was nicht schwer war. Unterwegs redete Howahkan mit dem Tigerjungen, um es zu beruhigen. Dabei kraulte er es liebevoll hinter den Ohren, was es wohl sehr mochte. Er gab ihm auch einen Namen, Darius. So hatte Howahkan auch sein erstes episches Schlachtross benannt – auch wenn dieses nur aus einem hölzernen Stecken mit einem Topf als Kopf bestand und auch nur in seiner kindlichen Fantasie wirklich episch erschien. Nach knappen zwei Stunden Fußmarsch erreichten die beiden dann eine kleine Kuppe, hinter dieser eine Furche mit einer Höhle schien. Howahkan hörte Gebrüll, welches lauter wurde. Als er seine Schritte verlangsamte, sah er einen ausgewachsenen weißen Tiger aus dem Höhleneingang schreiten. Als dieser den Menschen mit dem Jungtier auf dem Arm sah, Brüllte er los und kam zähnefletschend auf den Krieger zu. Howahkan setzte behutsam das Jungtier zu Boden und ging mit erhobenen Händen instinktiv langsam zurück. Dabei versuchte er beruhigend auf das ausgewachsenen Tier einzureden. Das hatte nur mäßig Erfolg und der Tiger machte einen Satz auf den Krieger und riss ihn zu Boden. Howahkan spürte, wie dabei die Krallen der linken Vorderpfote, welche sich auf seinem Brustkorb befand, sich tief in seinem Körper bohrten. Er versuchte weiterhin auf das Tier beruhigend einzureden, obwohl ihm langsam aufgrund des Gewichts des Tieres die Luft wegblieb. Da gab plötzlich das gerettete Jungtier einige Laute von sich, humpelte zu dem am Boden liegenden Krieger und schleckte diesem erneut das Gesicht ab. Dies beruhigte das Muttertier auf der Stelle und bewegte sich von Howahkan runter. Dabei schaute es Howahkan geduldig an, als solle er nun gehen. Der Krieger erkannte seine Chance, raffte sich so schnell er konnte auf, und bevor er dann zügig wieder Richtung Fluss stolperte, streichelte er Darius zum Abschied durch sein weiches Fell...
Das Fell. Als könne er es immer noch spüren. Die Dunkelheit, die Howahkan nach dem unsanften Aufprall verschlang, lichtete sich etwas. Es ging in fast rhythmischen Bewegungen leicht auf und ab. Um ihn herum schien die Welt an ihm vorbei zu gleiten. Immer wieder wurde es dunkel. Gefolgt von kleinen Lichtimpulsen, die den Blick auf verschwommen Umfeld gaben. Der Krieger fühlte sich erbärmlich. Die Schmerzen seiner Wunden waren schlagartig präsent. Und obwohl er am Bauch lag, spürte er keinen harten Boden. Es war angenehm weich und warm. Nach kurzen weiteren Impressionen seiner Umwelt wurde es wieder dunkel.
Plötzlich wurde Howahkan wieder wach. Irgendetwas Nasses schien am seinem Ohr zu hängen, was ihn weckte. Er lag mit dem Rücken am harten Boden. Seine Augen öffneten sich nur zögerlich. Es schien Abend zu werden, die Sonne hing am Horizont direkt über den Bergen. Als der Krieger seine Lider so weit geöffnet hatte, dass die unscharfen Konturen sich zu etwas Erkennbarem zusammenfanden, bemerkte er etwas Großes neben sich liegen. Als er merkte, dass dieses Etwas lebte, schreckte er hoch, was seine Wunden wieder auf den Plan brachte. Stechender Schmerz durchzog seinen Körper und Howahkan bereute augenblicklich seine hastigen Bewegungen. Als der Schmerz erträglicher wurde, drehte er sich nach links und sah neben sich einen Tiger liegen. Einen weißen Tiger. Er hatte an seinem Ohr geleckt. Er schaute dem ausgewachsenen Tier in seine kristallblauen Augen. Der Blick wirkte vertraut. „Darius….!? ....Danke!“ flüsterte der Krieger mit den letzten Kräften und voller Fassungs-losigkeit. Dann hörte er Stimmen aus der Ferne. Der Tiger blickte in Richtung der Geräuschkulisse und stand auf. Dann senkte er nochmals seinen großen Kopf zu Howahkan runter, schlabberte ihm liebevoll übers Gesicht und drehte sich dann um, um zu gehen. Der Krieger fuhr dabei der Raubkatze durchs Fell und kraulte diese hinter den Ohren, bis seine Arme zu kurz wurden. Der weiße Tiger blickte sich nochmals auf den am Boden sitzenden Menschen um, bevor er mit vollem Tempo davon sprintete.
Noch völlig von der Situation überfordert, bemerkte Howahkan, dass sich von hinten Leute näherten. Er hörte auch Klingengeschepper und Kettengerassel. Als er sich umsah, sah er bekannte Gesichter auf ihn zu laufen. Es waren seine Klanmitglieder, die in seine Richtung stürmten und langsamer wurden, als sie ihren verlorenen Stammesgenossen erblickten. Doch als der Krieger aufstehen wollte, verließen ihn erneut seine Kräfte und sackte bewusstlos zusammen.
Als er wieder zu sich kam, lag er in einem Bett in einer Hütte. Es war sein Bett. Sein Zimmer. Die Hütte seiner Familie. Sein Vater Matoskah stand ungeduldig wartend an der Tür und ging auf und ab. Einige Fackeln brannten, um den Raum zu erhellen. „Vater…!“ murmelte Howahkan, was Matoskah bemerkte, und gleich zu ihm stürzte „Howahkan! Was in aller Welt ist dir widerfahren? Was für eine Bestie hat dich angegriffen? Wir werden sie….“ „VATER!“ unterbrach Howahkan befremdlich streng die Unterhaltung „Du musst mir zuhören…!“ Howahkan hustete und merkte, dass seine Wunden ihn immer noch stark beeinträchtigten, wenn er sich anstrengte. „Nichts ist wichtiger als…“ begann Matoskah, als sein Sohn ihn unterbrach „VATER BITTE!“. Matoskah schaute seinen Sohn mit großen Augen an, so kannte er ich nicht. So erwachsen. „Nun?“ entgegnete er „Dann sprich!“. Howahkan redete leise und gleichmäßig „Der Waldberg-Klan. Sie werden kommen. Heute Nacht. Und sie wollen alle von uns umbringen. Bereitet euch vor. Wenn die Überraschung auf unserer Seite ist, dann werden wir sie zurückschlagen können!“ Stutzig von dem, antwortete sein Vater „Aber woher weißt du…“ „GEH!“ entgegnete der Krieger fast schon flehend „Bereitet euch vor. Es kann jeden Moment losgehen! Bezieht Stellung!“ Matoskah sah in die Augen seines Sohnes. Keine Spur mehr von Hass und Verrat, wie letzte Nacht, als sie im Streit auseinander gingen. Er sah stattdessen Courage, Entschlossenheit und Kämpferwillen. Sein Sohn war nicht mal einen Tag weg gewesen, aber diese kurze Zeit hatte ihn auf eine spezielle Art reifen lassen. Was wohl geschehen war…? Er stellte diese Frage nicht. Er ging zur Tür und wollte seine Leute warnen gehen, als Howahkan nochmals das Wort ergriff „Vater…?“ Matoskah drehte sich um „Ja?“ Sein Sohn antwortet „Ich versteh jetzt deine damalige Entscheidung!“ Sein Vater lächelte ungewollt „Ich weiß mein Sohn, ich weiß!“ Und damit verließ Matoskah das Zimmer nach draußen.
Da sich der Klan vom Schwarzen Fluss sich dank der Warnung von Howahkan vorbereiten konnte, kam es nicht zu dem Überraschungsangriff des Waldberg-Klans. Als die Fronten kurz nach Mitternacht aufeinander stießen, forderten die Oberhäupter der Schwarzen Fluss die Opponenten auf, umzukehren. Da diese nicht auf die Gegenwehr eingestellt waren, folgten sie dem Aufruf und es wurde in dieser Nacht kein Blut vergossen.
Am Folgetag, nachdem Howahkan vom Stammesheiler behandelt wurde, berichtete er seinem Vater bei einem Spaziergang unter vier Augen, was passiert war und dass ihn der Tiger rettete. Matoskah hörte sich alles an und blieb dann stehen. „Mein Sohn. Ich bin froh, dass du wieder zurück uns gekommen bist und uns gewarnt hast. Ich hatte befürchtet, das sich dich in vorletzter Nacht für immer verloren hätte. Du hast die Ehre unsere Familie, und damit die des gesamten Klans, aufrecht gehalten. Das erfüllt mich mit Stolz!“ Howahkan erwidert etwas bedröppelt „Es tut mir leid, dass ich wütend auf dich war. Ich habe erst jetzt verstanden, was du wirklich die letzten Jahre auf dich genommen hast.“ Dann schaute er seinem Vater in die Augen „Ich bin stolz, ein Nahcomence zu sein!“. Matoskah antwortete „Ich bin stolz, einen solchen Sohn zu haben!“ Dann griff Howahkans Vater mit der rechten Hand an den Hinterkopf seines Sohnes und drückte ihre beiden Köpfe Stirn an Stirn zusammen. „Danke, dass du mir vergibst, mein Sohn!“. Als die beiden sich wieder normal gegenüberstanden, griff Howahkan nach einem Beutel und holte den Ring von Deramitsch heraus und fragte seinen Vater „Was machen wir jetzt damit?“ „Verwahren ihn sicher. Er soll dich und uns immer daran erinnern, dass man seine Herkunft nicht verleugnen solle!“ antwortete Matoskah. Howahkan sah sich den Ring in seiner linken Handfläche liegend an, ballte dann eine Faust und nickte. Er packte den Ring zurück in den Beutel und wollte grade mit seinem Vater wieder zurückgehen, als dieser ihn aufhielt „Howahkan!“ begann er „Wenn wir heute zurückkehren, werde ich dem Rat sagen, dass ich mich aus persönlichen Gründen aus den Klangeschäften zurückziehen werde!“ Howahkan schaute entsetzt „Aber Vater….!“ „Nein, mein Sohn!“ erwiderte er „Ich kann dem Rat nicht sagen, was damals passiert ist. Dazu ist es nun in der Tat zu spät. Aber ich werde heute meine Konsequenzen ziehen. Diese Lügen, dieses Versteckspiel, und vor allem dieser Krieg müssen nun aufhören! Wir brauchen einen Neuanfang. Ich werde beim Rat die Bitte anbringen, dich als neues Oberhaupt für die Familie der Nahcomence einzusetzen.“ „Ähm… wie meinst du das…ich, ich bin doch der Jüngste in der Stammesfolge...?“ stammelte Howahkan dazwischen. Sein Vater entgegnete ruhig „Nun, du sollst ab sofort den Klan im Namen unserer Familie leiten und mitbestimmen, wie wir unsere Zukunft gestalten werden. Mit deinen beiden Brüdern habe ich schon geredet. Sie stehen vollkommen hinter dieser Entscheidung!“ „Ich kann das nicht, Vater!“ „Doch, du kannst das!“ vergewissert Matoskah seinen Sohn. „Das hast du mir schon sehr oft bewiesen. Und deine Zeit ist jetzt gekommen. Du bist zu einem jungen Krieger gereift, der weiß, auch mit unangenehmen Entscheidungen umzugehen. Und du hast mir gezeigt, dass du auch in dunklen Zeiten immer zu uns gehalten hast. Das werde ich dir nie vergessen. Und das solltest du tief in deinem Herzen tragen. Immer für den Klan und seine Leute da zu sein. Sie zu schützen. Sie zu führen. Und natürlich auch mit ihnen zu leben und zu feiern. Das ist es, was ein Stammeshäuptling ausmacht. Also wirst du einen Vater stolz machen?“ Howahkan schaute nachdenklich zu Boden, scheinbar in der Hoffnung dort eine Antwort zu finden, doch er fand nichts. Dann schaute er auf. Seinen Vater wieder in die Augen. Atmete tief durch. „Ja. Werde ich. Im Namen der Nahcomence werde ich den Klan mit Stolz und Ehre weiterführen. In ein neues Zeitalter.“ Matoskah nickte seinem Sohn zu und beide gingen langsam zurück in Richtung Dorf. Auf dem Weg dahin sprachen sie zu ersten Mal über die Ereignisse jenes Tages, an dem Etu ermordet wurde. Und gemeinsam erinnerten sie sich an all die schönen Momenten mit ihr. Selten hatten sich Vater und Sohn so unbeschwert unterhalten. Und beide merkten, dass es Zeit war, die Dinge auszusprechen und vieles hinter sich zu lassen.
Nachdem die beiden wieder im Dorf waren und Matoskah am Nachmittag den Rat informierte, seinen jüngsten Sohn als Nachfolger für ihn einzusetzen, stimmten alle Ratsmitglieder nach einer kurzen Diskussion dafür. Eine feierliche Aufnahme sollte die kommenden Tage stattfinden. Da Howahkan etwas Zeit hatte, ging er zu dem Ort zurück, wo ihn seine Stammesleute gefunden hatten. Er hoffte hier die Spur des Tigers zu finden und seine Fährte aufzuspüren. Er fand sie auch und konnte diese bis zum Schwarzen Fluss verfolgen, doch dort verlor sich die Spur. Und obwohl der Krieger die Ufer sehr sorgfältig den gesamten Nachmittag absuchte, blieb dies ohne Erfolg. Er suchte auch an den Folgetagen immer wieder nach Anhaltspunkten, mit denen er die Fährte des Tigers, bei dem sich Howahkan sicher war, dass es Darius gewesen sein musste, wieder aufnehmen könnte. Doch erfolglos. Nach mehreren Tagen ergebnisloser Suche, beendete der Krieger sichtlich enttäuscht sein Unterfangen.