Das Pen-&-Paper-Rollenspiel (engl. pen „Stift“ und paper „Papier“) ist ein Spiel, bei dem die Mitwirkenden in fiktive Rollen schlüpfen und gemeinsam durch Erzählen ein Abenteuer erleben. Als Hauptspielmittel werden fast immer die namensgebenden Stifte und Papier eingesetzt, um die dargestellten Rollen auf Charakterbögen zu beschreiben und Notizen zum Spielverlauf zu machen. Nicht zuletzt gehören zum papierenen Material Rollenspielabenteuer, Spielwelt-Beschreibungen und Spielregel-Handbücher. Sehr häufig werden auch Spielwürfel oder andere Zufallselemente verwendet.
Stark vereinfacht kann das Pen-&-Paper-Rollenspiel als Mischung aus herkömmlichem Gesellschaftsspiel, Erzählung und Improvisationstheater beschrieben werden. Häufig moderiert ein Spielleiter das Spiel, setzt den Handlungsrahmen und trifft wesentliche Entscheidungen bezüglich der Schauplätze, der auftretenden Ereignisse und Nebendarsteller (Nicht-Spieler-Charaktere, NSCs). Die anderen Spieler stellen in diesem Rahmen ihre fiktiven Figuren, die Spielercharaktere (SCs), dar und treffen für sie die Entscheidungen im Rahmen vorgegebener Regelsysteme. Letztere sollen dabei helfen zu bestimmen, inwieweit die fiktiven, nur verbalisierten Handlungen der Figuren erfolgreich sind, ob z. B. die Spielfigur beim Sprung von einer hohen Mauer unverletzt bleibt. Der Erfolg oder Misserfolg dieser fiktiven Handlungen wird mithilfe von Spielwürfeln, seltener auch Spielkarten, simuliert.
In der Rollenspielerszene werden Pen-&-Paper-Rollenspiele meist schlicht als Rollenspiele (RS, RSP) oder Role-Playing Games (RPG) bezeichnet. „Pen-&-Paper“ wird üblicherweise dann vorangestellt, wenn der Gegensatz zu anderen derartigen Spielformen wie Live-Rollenspiel, Computer-Rollenspiel oder Foren-Rollenspiel betont werden soll. Der Einsatz von Papier und Stiften ist ein markantes Unterscheidungskriterium. Selten werden auch die eingedeutschten Bezeichnungen „Papier-und-Stift-Rollenspiel“ oder „Papier-und-Bleistift-Rollenspiel“ verwendet; eine weitere alternative Benennung ist „Tischrollenspiel“.
Wissenschaftliche Theorien zur Funktionsweise von Rollenspielen sind rar, doch erste Ansätze einer Rollenspieltheorie haben sich bereits herausgebildet. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Untersuchungen zum Phänomen Rollenspiel, die sich jedoch überwiegend auf studentische Haus-, Diplom- und Magisterarbeiten beschränken.
Rollenverteilung
Ein „Charakterbogen“ des Pen-&-Paper-Rollenspiels Sturmbringer. Die Eigenschaften der Spielercharaktere werden hier vermerkt.
Bei den meisten Regelsystemen übernimmt einer der Spieler die Rolle des Spielleiters oder Erzählers. Häufig wird für diese Rolle auch die aus Das Schwarze Auge übernommene Bezeichnung „Meister“ oder der aus Dungeons and Dragons (D&D) stammende Begriff „Dungeon Master” (DM) verwendet. Zu den Aufgaben des Spielleiters zählt es, den Mitspielern zu beschreiben, was deren Spielfiguren widerfährt. Bildlich gesprochen ist er Auge und Ohr der Spieler und übernimmt die Rolle aller Nicht-Spieler-Charaktere, die mit den Spielfiguren interagieren. Ferner ist er Schiedsrichter und Moderator. Die Spieler dagegen sind Darsteller der die vom Spielleiter vorskizzierte Geschichte tragenden Spielercharaktere. Die Handlungen der Spielercharaktere werden – entsprechend ihrer Hintergrundgeschichte, ihrer Fähigkeiten und Ziele – von den Spielern festgelegt. Der Spielleiter kennt die Rahmenhandlung sowie relevante Ereignisse und Hintergründe der Spielwelt und baut die nicht vorherzusehenden Aktionen und Reaktionen der Mitspieler, die durch die Handlungen ihrer Figuren den Verlauf der Geschichte zu beeinflussen versuchen, ins Spiel ein.
Manche freie, regelarme Rollenspiele wie InSpectres und Wushu weichen von dieser Rollenverteilung ab. Hier übernimmt jeder Spieler auch die Rolle des Erzählers und bestimmt die Ergebnisse seines Handelns. Teilweise wird so auf einen Spielleiter ganz verzichtet.
Spielmechanismus
Der Spielleiter schildert den Spielern ihre Situation, beispielsweise so:
„Ihr reitet gemütlich durch den dicht bewachsenen Hohlweg, als plötzlich ein Schwarm Vögel vor euch auffliegt. Offenbar wurden sie aufgescheucht, aber wahrscheinlich nicht durch euch. Was tut ihr?“
Auf diese Ausgangslage reagieren die Spieler dadurch, dass sie die Aktionen ihres Charakters bestimmen (hier zum Beispiel: Innehalten und Lauschen, Rufen, Waffen Ziehen oder sich im Gebüsch verstecken). Der Spielleiter beschreibt anschließend die Veränderungen und Reaktionen der Umwelt aufgrund dieser Aktionen und seiner Kenntnis der Rahmenhandlung. So entsteht – im Gegensatz zu einer gewöhnlichen Geschichte – ein Dialog zwischen Spielern und Spielleiter, in dem durch Aktionen und Reaktionen die Geschichte erzählt wird.
Dabei muss die Aktion keineswegs vom Spielleiter ausgehen. Vielmehr wird erwartet, dass die Spieler aktiv werden, anstatt in passiver Reaktion zu verharren. Gespräche, die zwischen den Charakteren der Spieler untereinander oder zwischen ihnen und vom Erzähler verkörperten NSCs stattfinden, werden von den Spielern häufig in wörtlicher Rede gestaltet oder sogar schauspielerisch untermalt. Diese Parallelität des Geschehens in der wirklichen Welt mit dem Geschehen in der Spielwelt bleibt jedoch auf Gespräche beschränkt; Bewegungen und andere körperliche Aktionen werden im Gegensatz zum Live-Rollenspiel nicht oder nur ansatzweise nachgestellt.
Bei Erzählrollenspielen und weiteren Systemen übernimmt jeder Spieler im Wechsel die Rolle des Erzählers.
Regelsysteme
Verschiedene Würfel dienen in den meisten Pen-&-Paper-Rollenspielen als Zufallsgeneratoren.
Pen-&-Paper-Rollenspiele verwenden üblicherweise Regelsysteme, die mehreren Zwecken dienen:
Sie definieren die Stärken und Schwächen eines Charakters in Relation zur Spielwelt. Dies geschieht üblicherweise durch das Festlegen von numerischen Werten für die verschiedenen Fähigkeiten und Eigenschaften eines Charakters.
Sie helfen bei der Entscheidung über den Ausgang zweifelhafter Situationen, in dem sie einen Mechanismus zur Verfügung stellen, der die Fähigkeiten eines Charakters mit der Schwierigkeit einer Aufgabe vergleichbar macht.
Sie bringen ein Zufallselement ins Spiel, das als Spannungsmittel dient. Als Zufallselement dienen dabei üblicherweise Spielwürfel.
Sie definieren das Ausscheiden eines Charakters aus dem Spiel, zum Beispiel durch Tod.
Sie definieren Mechanismen, die den Fluss der Geschichte beeinflussen können, etwa durch die zeitweilige Übergabe des Erzählrechtes an einen Spieler.
Die Werte für Stärken und Schwächen eines Charakters werden auf einem Blatt Papier, dem Charakterbogen, festgehalten. Da sich diese Angaben im Laufe des Spiels ändern können, wird zumeist mit Bleistift geschrieben.
Da die vorgegebenen Regeln nicht immer konsistent sind und nicht dem Geschmack der Mitwirkenden entsprechen müssen, besteht die Möglichkeit, Regeln und Werte zu ändern und dem eigenen Spielstil anzupassen, also „Hausregeln“ zu entwickeln. Da dies zu Problemen führen kann, ist dies eher die Ausnahme als die Regel, wenn sich Mitglieder verschiedener Gruppen treffen, um gemeinsam zu spielen.
Um den Spielern weitere Anregungen zu bieten und die Fantasiewelten bunter und komplexer zu gestalten, werden neben den Regelbüchern auch Rollenspielabenteuer vertrieben, die Überblick und Materialien für eine Rahmenhandlung bereitstellen und vom Spielleiter zur Vorbereitung des Spiels gelesen werden. Die außerdem in fast allen Rollenspielen veröffentlichten „Quellenbücher“ enthalten weitere Informationen zur Spielwelt, etwa Landkarten, geographische, kulturelle und geschichtliche Angaben, neue Möglichkeiten zur Erschaffung von Charakteren und Zusatzregeln.
Anforderungen an den Spielleiter
An den Spielleiter werden hohe Anforderungen gestellt, da er auf die oft kreativen Aktionen der Spieler reagieren und sie in seine Geschichte einbauen muss. Er muss die Spielregeln beherrschen, da er über ihre Auslegung entscheidet, und die Spielwelt kennen, um die Handlung überzeugend in ihren Hintergrund einbetten zu können (→ Willentliche Aussetzung der Ungläubigkeit). Schließlich muss er einen Überblick über den gesamten geplanten Plot besitzen, um die Veränderung der Spielwelt durch die Ereignisse der Rahmenhandlung und die Taten der Spielercharaktere darstellen zu können.
Für viele Spieler mindert es die Freude am Rollenspiel, wenn der Spielleiter auch die Spielercharaktere lenkt, um die Handlung zu ihrem vorbestimmten Ziel zu führen. Flexible Spielleiter hingegen müssen auch in unvorhergesehenen Situationen kreative Ideen haben, um die Geschehnisse nahtlos in die Geschichte einfließen zu lassen, geplante Ereignisse gegebenenfalls anzupassen und den Mitspielern so das Gefühl zu vermitteln, dass die Handlungsfreiheit ihrer Figuren gewahrt bleibt und ihre Aktionen Einfluss auf die Entwicklung der Spielwelt und des Plots haben.
Der Spielleiter veranschaulicht, wie der Ort der Handlung aussieht und übernimmt die Rolle aller nicht von Spielern gesteuerter Charaktere (NSCs). Er spricht und agiert z. B. für die Bewohner eines Dorfes, den König eines Landes, den Feind samt seiner Gefolgsleute und Monster, aber auch die Verbündeten der SCs. Dabei ist es für den Spielleiter herausfordernd, den Spielern das Erzählte möglichst plastisch darzustellen und die NSCs glaubhaft zu präsentieren.